Warum Westbahnpark.Jetzt?

Zuerst klingt das in linken Ohren sehr nach dem Gebrüll einer klassischen Bürger*inneninitiative: Eloquent medienwirksam sich inszenierende Protagonist*innen, die sich dagegen wehren, dass ihnen vor ihren Wohnzimmerfenstern, Balkonen und Dachterrassen ein Hochhaus hingebaut wird. Schon gar nicht, wenn leistbares Wohnen als Anti-Option zur asphaltbefreiten Schicki-Micki-Aussicht ins linke Blickfeld gerückt werden könnte. So einfach ist die Sache jedoch nicht, selbst wenn es stimmt, dass es etlichen „Westbahnpark jetzt!“-Fordernden um nichts anderes als ihren „freien Blick zum Mittelmeer“ geht.

Zum einen ist es ein ziemlich großer Irrtum zu glauben, dass jede Neubauwohnung auf dem gleisfreien Westbahnareal gleich eine Neubauwohnung weniger auf landwirtschaftlichen Flächen bedeutet. Und die (linke) Forderung, statt dem Park leistbare, am linksliebsten neue Gemeindewohnungen zu errichten, ignoriert den hohe Freiflächenmangel der Bewohner*innenschaft im 15. Die seit Generationen hier, gemessen an ihrer Haushaltsgröße, in viel zu kleinen und zugleich völlig überteuerten Mietwohnungen leben. Gerade in den angrenzenden gründerzeitlichen Häuserblöcken zwischen März- und Mariahilferstraße ist der wohnungsnahe öffentliche Freiraum je Bewohner*in so gering wie fast nirgendwo sonst im dichtbebauten alten Stadtgebiet Wiens. Jede nicht wieder bebaute Baulücke, jeder wenigstens partiell aufgelöste Häuserblock, jede (fast nie) geglückte Baublocköffnung wäre nur der sprichwörtliche „Tropfen auf den heißen Stein“ im Vergleich zum geforderten Westbahnpark.

Wer jetzt den geforderten Westbahnpark für eine Gentrifizierung der Stadtviertel (mit)verantwortlich machen möchte, überschätzt den Faktor „Park“ bei der Bewohner*innenverdrängung. Dieser Vorwurf verneint auf zynische Weise den Wunsch der meisten, insbesondere der kinderreichen Drei-Generationen-Haushalte (in meist überbelegten Wohnungen) nach mehr öffentlich zugänglichem Platz und Bewegungsraum im Bezirk. Denn gerade diese sind besonders darauf angewiesen: Ein „mehr“ an wunschgeträumten Smart-Wohnungen würde deren Mangelsituation nur verschlechtern.

Zum anderen ist bei der Westbahnpark-Forderung der Blick auf das Geschäft mit Grund und Boden zu richten: Von der ehemals staatlichen Kaiserin-Elisabeth-Bahn haben die ÖBB Grundstücke „geerbt“. Diese hatte die frühere Staatsbahn – weil „in öffentlichem Interesse“ stehend – zu günstigsten Preisen und auch durch Enteignung „erworben“. Dieses Enteignungsprivileg war (und ist auch heute noch) daran geknüpft, dass der so erworbene Boden für den „in öffentlichem Interesse“ stehenden Bahnverkehr benötigt wird. Genau diese Bedingung ist auf dem umstrittenen gleisfreien Westbahnareal längst weggefallen!

Auch als Vorsorgefläche für den Eisenbahnverkehr haben die ÖBB diesen schmalen Grundstücksstreifen schon vor Jahrzehnten aufgegeben. Seither treten die in staatlichem Volleigentum befindlichen ÖBB als Immobilienkonzern auf dem städtischen Bodenmarkt auf. Mit ihren ehemals billigst, privilegiert – „in öffentlichem Interesse“ – erworbenen und enteigneten Grundstücken.

Nur was macht die für die Grundstückspreise hauptverantwortliche Stadt Wien? Sie bedient als quasi Kleinstaat die privatwirtschaftlichen Interessen des staatlichen ÖBB-Immobilienkonzerns: Sie widmet diese Grundstücke um. In ein sehr profitabel zu bewirtschaftendes Bauland mit Begleitgrün als „pea-nuts“. So bedient die eine öffentliche Hand die bodenspekulative andere öffentliche Hand. Auf der Strecke bleibt das öffentliche Interesse.

Das „neue“ öffentliche Interesse wäre jedoch unschwer zu erkennen: massive Behebung des Freiraummangels im Bezirk, Erhaltung der Klimafunktion der unverbauten Westbahntrasse. Und für uns als LINKS noch dazu ein antikapitalistischer Kampf gegen eine ganz besonders perfide Art struktureller Bodenspekulation.

Peter Moser (LINKS Bezirksgruppe 1150), 21. Mai 2023

Update

Nachdem seit Ende April verschiedene Vorwürfe gegen ein Mitglied unseres Leitungsgremiums erhoben wurden, hat sich die, von unseren Leitungsgremien unabhängige, LINKS Anlaufstelle in den letzten Wochen intensiv mit den Vorwürfen auseinandergesetzt. Einige der Vorwürfe sind aus Sicht unseres Leitungsgremiums glaubwürdig und haben sich erhärtet. Daher wurde die entsprechende Person am Montag offiziell von LINKS ausgeschlossen. Die Anforderungen an Mitglieder, die aus den Statuten von LINKS hervorgehen, haben das notwendig gemacht. Die Person scheidet damit mit sofortiger Wirkung aus der Partei aus.

Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Respekt vor den Persönlichkeitsrechten aller Beteiligten nicht auf Details, spezifische Vorwürfe oder deren Einschätzung eingehen.

Der Ausschluss ist nach einem Antrag von Aktivist*innen und der Empfehlung der Anlaufstelle durch unsere Parteigremien beschlossen worden. Auch wenn wir hier nicht stehen bleiben wollen, sondern tiefergehende Veränderungen bei LINKS umsetzen werden, stellt dasies einen wichtigen Schritt dar.

Wir haben uns dabei streng an unseren Statuten orientiert, auch wenn der Prozess dadurch vielleicht länger gedauert hat, als es manchen lieb ist. Andere werden unsere Entscheidung für vorschnell halten. Für uns ist klar, dass ein Ausschluss notwendig geworden ist. Wir haben so schnell wie möglich ein sorgfältiges Verfahren geführt und für einen intern nachvollziehbaren Weg gesorgt, ohne dabei unsere Grundsätze zu verletzen.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen bedanken, die sich bei uns gemeldet, uns unterstützt und unserer internen Aufarbeitung Vertrauen geschenkt haben. Die Einhaltung unserer Grundsätze ist und bleibt unsere Priorität. Bei LINKS wird sich einiges ändern müssen, damit wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden.

Unsere Anlaufstelle ist weiterhin für euch da, wenn ihr übergriffiges oder sonstiges Fehlverhalten bei LINKS beobachtet oder selbst betroffen seid. Per Mail an kontakt-anlaufstelle@links-wien.at. Wenn du einen der Namen Andi, Djana, Flora, Karo oder Tobias in die Betreffzeile schreibst, wird auch ausschließlich diese Person diese Mail lesen.

Statement

Wir sind derzeit mit Vorwürfen gegen ein Mitglied des Leitungsgremiums unserer Partei konfrontiert. Nach Bekanntwerden der Anschuldigungen am 24.4. wurden alle Funktionen der entsprechenden Person ruhend gestellt. Die von unseren Leitungsgremien unabhängige Anlaufstelle befasst sich seitdem mit den Hinweisen. Auf Basis dessen bereiten wir strukturelle und personelle Konsequenzen vor. 

Wir haben uns zu Beginn entschieden auf nachdrücklichen Wunsch der Personen hin, die die Vorwürfe an uns herangetragen haben, diese nicht zu veröffentlichen. Ohne direkten Kontakt zu Betroffenen war es uns außerdem nicht möglich, unsere Schritte mit den Bedürfnissen der Betroffenen abzustimmen. Nach der öffentlichen Konfrontation gestern, wollen wir dennoch Stellung beziehen.

LINKS versteht sich als linke, feministische, anti-sexistische und offene Partei. Oberstes Anliegen ist es, dass wir einen politischen Raum schaffen, in dem sich alle Aktivist*innen und Wähler*innen wohl und sicher fühlen können. Genau dieser Anspruch an uns selbst wurde verletzt.

Wir möchten hiermit um Entschuldigung bitten. Bei allen, die von den Vorfällen betroffen, re-traumatisiert oder schockiert wurden. Bei allen, die uns ihr Vertrauen, ihre Wähler*innen-Stimme oder ihre Zeit schenken. Bei allen, die von unserem bisherigen Vorgehen enttäuscht sind. 

Als Aktivist*innen setzen wir uns größtenteils ehrenamtlich für eine linke, progressive Politik ein und werden das auch weiterhin tun. Damit wir das ernsthaft tun können bitten wir alle, die Hinweise auf übergriffiges, oder sonstiges Fehlverhalten haben, diese an die Anlaufstelle zu melden unter kontakt-anlaufstelle@links-wien.at. Wenn du einen der Namen Andi, Djana, Flora, Karo oder Tobias in die Betreffzeile schreibst, wird auch ausschließlich diese Person diese Mail lesen. Wir arbeiten auf Hochtouren, um alle Geschehnisse aufzuklären und rasch zu handeln. 

Wir bitten um einen direkten Dialog, damit wir der Sache begegnen können, und andererseits um Verständnis, dass wir keine Details zu den Vorwürfen veröffentlichen werden. Letzteres dient in erster Linie dem Schutz der Betroffenen und entspricht den Wünschen jener, die sich uns anvertraut haben.

Weitere Schritte und Konsequenzen werden wir mit euch teilen.