Mit der Verkehrswende zum schönen Leben

Während Österreich in der Abfallwirtschaft, in der Landwirtschaft, bei Gebäuden und Industrie CO2-Emissionen reduzieren konnte, gibt es einen Problemsektor, der alle Einsparungen wieder wett macht: Der Verkehr legte zwischen 1990 und 2019 in Österreich um ganze 10,9 Mio. Tonnen CO2 zu. Umgerechnet entspricht das dem CO2-Speicher von über 4 Millionen 35m hohen Fichten. Wie kann das sein und wie können wir dieses Problem lösen?

Es mieft

Neben dem zunehmenden Warentransport gibt es einen klaren Hauptverursacher des starken CO2-Anstiegs im Bereich Verkehr: Der sogenannte MIV [mi:f] steht für motorisierter Individualverkehr und er macht genau das, wonach es klingt: Er mieft. Er verpestet unsere Städte und macht ein Leben in zentralen Ortskernen am Land unmöglich. Er ist überall und wenn man einmal auf ihn aufmerksam geworden ist, kann man ihn nicht mehr ausblenden. In Wien beansprucht MIV zwei Drittel der Verkehrsflächen für sich und wird nur von 27% der Wiener*innen zum Autofahren genutzt. MIV steht 23 Stunden am Tag still, führt zu Versiegelung und verschwendet dabei kostbaren Lebensraum. Die restliche Stunde, die das Auto in Bewegung verbringt, steht es vermutlich auch noch im Stau. Warum aber werden dann noch so viele Strecken mit dem Auto bewältigt? Neben der verabsäumten Raumplanung von ländlichen und urbanen Regionen sind fehlende Angebote an Öffi-und Radalternativen der Hauptgrund. Und hier kommt die Verkehrswende ins Spiel.

Radikales umdenken

Um den Städten – also die Orte, an denen wir arbeiten und wohnen – wieder neue Lebensqualität zu verleihen, braucht es eine radikale Verkehrswende. Keine unnötigen Subventionen mehr für den MIV, der Dreck, Lärm und Abgase in die Stadt bringt. Keine neuen Straßen für Autos und keine Parkgaragen, die den MIV anziehen. Um den Verkehr in den Griff zu bekommen, müssen Angebote geschaffen werden, die zum Umstieg einladen: Park and Ride Anlagen an den Stadtgrenzen und kostenlose Öffis in die Innenstadt hinein für alle. Häufigere Taktung von bereits existierenden Verbindungen und einen Ausbau des Straßenbahnnetzes. Niemand soll mehr auf ein teures Auto angewiesen sein. Weniger Autos auf der Straße bedeutet gleichzeitig mehr Platz für Öffis und eine höhere Transportkapazität. Wenn man es schafft, so wie in den Niederlanden, den Verkehr aus den Innenstädten zu verbannen, dann fallen auch viele Gründe weg, in die grünen Stadtränder ziehen wollen. Wir holen die Lebensqualität, das Vogelgezwitscher und den Duft von frischer Erde in die Stadt zurück. Aus stark befahrenen Straßen sollen wieder grüne Oasen werden, in denen Kinder spielen können; Parks und Gärten sollen das Stadtbild prägen. Nur mit einer Verkehrswende schaffen wir eine klimafitte und menschenfreundliche Stadt.

Verkehrsplanwirtschaft – Grenzen öffnen, auch für Schienen

Was es für die Umsetzung braucht? Eine zentrale Verkehrsplanung, die nicht nur an den Stadt- oder Landesgrenzen
aufhört. Für Wien fordern wir nachhaltige Kooperationen mit dem niederösterreichischen Umland. Der Schienenverkehr darf nicht einfach an der Stadtgrenze enden – die Straßen tun es schließlich auch nicht. Die Badner Bahn ist das beste Beispiel dafür, dass die Menschen bereit sind umzusteigen, wenn es grenzüberschreitende Angebote gibt. Solange die verkehrsplanerische Kompetenz aber noch bei den Ländern liegt und diese im Finanzierungs-Hickhack ihr eigenes Süppchen kochen, wird man das massive Verkehrsproblem nicht beheben können. Das Klimaticket ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es reicht aber nicht – wir fordern einen massiven Ausbau der Öffis und mehr Platz für Menschen – Verkehrswende, jetzt!

SPÖ: „…eine ganz normale Gemeindestraße…“

Die Vorarbeiten zur Stadtautobahn, der sogenannten „Stadtstraße”, kommen nicht voran – dank der Besetzungen der Baustellen. Ludwig weiß: Bilder einer Räumung würden empören und zusätzlich Menschen mobilisieren. Ludwigs Problem: Ignorieren funktioniert leider auch nicht mehr. Die Entschlossenheit der Proteste und eine lauter werdende, organisierte Klimabewegung zwingen zur Reaktion.

Autobahn= Klimaschutz? HÄ?

Die Argumente der Besetzerinnen sind auch medial angekommen: Neben Naturschutz und lokalen Anrainerinneninteressen geht es vor allem um den Kampf gegen die Klimakrise vor der Haustüre. Die SPÖ versucht nach Außen den Schein zu wahren, den wachsenden politischen Druck nicht zu spüren und setzt stattdessen darauf, die Stadtstraße als Klimaschutzprojekt zu rühmen. So schmückt Umweltstadtrat Jürgen
Czernohorszky am Tag des diesjährigen globalen Klimastreiks das Projekt der Stadtstraße mit Attributen wie „nachhaltig“ und nennt es „Bemühungen im Kampf gegen die Klimakrise“. Fail. Begleitet wird das Klimageschwafel der SPÖ-Führungsriege von teuren Inseraten – bisher 585.000 € aus der Kasse der Stadt Wien – eine eigene PRO Stadtstraßen-Homepage und ein spontan eingerichteter Youtube-Kanal. Das vermittelt ein verunsichertes, aber auch dreistes Bild. Die Kampagne von Ludwig & Co zielt darauf ab, breite Unterstützung für die Stadtautobahn zu gewinnen. Erstens über eine Festschreibung von Mobilität, es gehe nicht ohne Autos, nach dem Warum soll gar nicht erst gefragt werden, zweitens über ein launiges „Wir-bauendie-Öffis-eh-aus“ und drittens sei das Projekt Stadtautobahn durchaus im Sinne der Pariser Klimaziele. Hauptargument der Kampagne ist, dass Stadtentwicklung nicht ohne Stadtautobahn möglich wäre. Damit werden die Stimmen von Verkehrswissenschafterinnen ignoriert: Nicht nur angesichts der Klimakrise ist eine radikale Verkehrswende die einzig nachhaltige Lösung der Stadtentwicklung: Sie ist deutlich billiger, gesünder, schafft mehr Raum für alle, stoppt Flächenversiegelung und schafft mehr Arbeitsplätze. Ludwig befürchtet, diese unangenehme Wahrheit könnte mehrheitlich an Aufmerksamkeit und Zustimmung gewinnen – auch in den eigenen Reihen scheint sich Unmut breit zu machen. In internen Rundschreiben wird händeringend formuliert: „Durch den Bau der Stadtstraße können tausende Wienerinnen wieder in Ruhe aufatmen.“ „Die Stadtstraße ist eine 3,2 km lange, ganz normale Gemeindestraße.

Worum geht es also wirklich?

Es gibt nur einen Grund für die Autobahnbesessenheit von Ludwig und Co: Der Wirtschaftsstandort Wien muss im Wettbewerb der europäischen Großstädte gestärkt werden – um jeden Preis. Kein Wunder, leben wir doch in einer Gesellschaft, in der Wettbewerb und Profite die Aktivitäten der Wirtschaft bestimmen. Die SPÖ nimmt sich aus dieser Dynamik nicht raus; auch wenn sie die wichtigsten Posten in der Stadtregierung innehat und eine andere Politik in Wien angehen könnte. Die Profiteur*innen sind Immobilienfirmen, Transportunternehmen sowie Unternehmen und Konzerne, die sich an den neuen Verkehrswegen ansiedeln. Dafür vernachlässigt die Stadtregierung seit Jahrzehnten den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel in der Donaustadt. Eine Bim hier und eine neue Buslinie da können nicht darüber hinwegtäuschen. Intervalle bestehender Buslinien werden nicht erhöht oder sogar verringert, wie etwa bei der Schnellbahnlinie S80. Um dann festzustellen, dass sie weniger genutzt wird mit der Konsequenz, einige Haltestellen aufzulassen. Wird absichtlich der öffentliche Verkehr in der Donaustadt weniger gut ausgebaut als im Zentrum Wiens? Um dann sagen zu können, dass die Menschen in der Donaustadt die Stadtautobahn dringend brauchen? Mensch und Natur brauchen dringend eine Reduzierung der CO2-Emissionen und eine Verringerung des Autoverkehrs – deshalb fordern wir den Baustopp der neuen Autobahnen. Stattdessen ein Verkehrskonzept, in das wissenschaftliche Erkenntnisse und die Bedürfnisse der Wiener*innen nach klimagerechter, gesunder und zugänglicher Mobilität einfließen.

Veröffentlicht in Lobau

WEM NÜTZT DIE LOBAU-AUTOBAHN?

Die Fakten zur Klimaerwärmung sind inzwischen unbestritten – von Politiker*innen und Medien hören wir immer öfter: „Es muss was getan werden!“ Trotzdem werden keine Pläne für eine tiefgreifende Verkehrswende entwickelt. Gerade in Österreich gäbe es genug Gründe: Der Straßenverkehr verantwortet 70% des Anstieges der CO2-Emissionen seit 1990 und 2018 wurden 1/3 der CO2-Emissionen durch Straßenverkehr verursacht. Dennoch steht der Bau der Stadtstraße und der Lobau-Autobahn bevor und wir fragen uns: WARUM MACHEN DIE DAS?!

Autobahnen sind Hauptverkehrsadern in einem Wirtschaftssystem, das auf fossiler Energie aufgebaut ist. Der Hauptanteil des Personenverkehrs – als individueller Verkehr auf dem Weg zur Arbeit oder in die Ferien – und der Warentransport spielt sich auf den Straßen ab. Damit Autokonzerne ihre Produkte, Energiekonzerne Benzin und Diesel und die Chemieindustrie ihre Produkte wie Asphalt oder Autoreifen verkaufen können, braucht es Straßen. Aber Konzerne bauen keine Straßen – das beschließen Regierungen und Parlamente in Gesetzen und Verordnungen. Damit dann tatsächlich gebaut wird, werden Firmen wie die ASFINAG gegründet, die die Straßenbaupläne umsetzen.

Das unsichtbare Band

Jetzt könnten diese Regierungen und Parlamente die wissenschaftlichen Fakten und Daten als Grundlage für Entscheidungen hernehmen und zum Beispiel den Ausbau des öffentlichen Verkehrs forcieren. Verkehrsbetriebe sich oft in staatlicher oder kommunaler Hand und müssen finanziert werden – aus dem Budget, dass ansonsten für den Bau von Autobahnen und Förderung von Unternehmen vorgesehen ist. Das wäre eine echte Umverteilung. Darüber hinaus kommen Menschen bequem und ohne Stress von A nach B fahren und in einer gesünderen Umwelt leben. Das passiert aber nicht, denn ein fast unsichtbares Band der Abhängigkeit umschlingt Politik und Konzerne.
Es sind nicht irgendwelche Konzerne, die den Ton angeben. Es sind eben diejenigen, die die fossilen Ressourcen nutzen zur Energieerzeugung, Produktion und Warentransport. Unter den umsatzstärksten Konzernen finden sich deshalb Öl/Gas-Konzerne, Automobilhersteller und Handelsunternehmen. In Österreich sind es Porsche, OMV und REWE, die an der Spitze stehen. Warum sollten sie freiwillig ihre Position im Ranking aufgeben? Trotz ihrer ungeheuren ökonomischen Stärke können sie nicht alles: Sie brauchen die Regierung, damit sie die Infrastruktur bekommen, um weiterzumachen wie bisher -– umgedreht brauchen die Regierungen Steuern, Investitionen und wirtschaftliche Stabilität, die durch die Großkonzerne gegeben scheint.

Wirtschaftsstandort Olé

Im Fall der Lobau-Autobahn wird diese Abhängigkeit sichtbar, denn das einzig wahre Argument für die Autobahn ist die Weiterentwicklung des Wirtschaft-Standortes Wien/NÖ. Werden Gebiete durch Autobahnen und Schnellstraßen erschlossen, siedeln sich Unternehmen an, werden neue Produktionsstandorte aufgebaut – die Stadt „entwickelt“ sich. Dafür werden weitere Flächen planiert und versiegelt. Unsichtbar bleibt vorerst die Anziehungskraft einer internationalen Nord-Süd-Route, die neue Möglichkeiten für den Ausbau des internationalen Warentransportes schafft.
Auch wenn Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten, sind wir dem doch nicht wehrlos ausgeliefert. Der Baustopp für die Lobau-Autobahn und Stadtstraße ist möglich und ein Zeichen, dass die Politik gezwungen werden kann, Entscheidungen in unserem Interesse zu treffen. Um aus dem fossilen Kapitalismus herauszukommen, braucht es noch mehr – unser Widerstand gegen den Autobahnbau ist ein richtiger Auftakt dafür.

Veröffentlicht in Lobau