„Mein Interesse für Politik fing in der Kindheit an. Damit, dass Menschen mich Sachen fragten, die mich irritierten. Was machst du hier? Wo bist du geboren? Warum sprichst du Deutsch? Fragen, die ein Kind überfordern, mich aber nicht losließen. Ich begann, darüber nachzudenken, was in Menschen vorgeht, wie sie sich und andere sehen. Und selber Fragen zu stellen: Drei Schwestern und ein Bruder – Warum wird der Bruder bevorzugt? Die Armut meiner Eltern – Warum kriege ich nur getragenes Gewand? Fragen, die typisch sind für Kinder, machten aus mir einen politischen Menschen. Ich ging durchs Leben und fing an, mir Sachen anzueignen und versuchte, daraus was Gutes zu machen.
Dann kam der Zerfall Jugoslawiens. Das war auch ein Schock und auch ein Moment der Politisierung. Meine Erstheimat, das sozialistische Land, das Land der Partisan_innen, die gegen die Nazis gekämpft haben, das für mich Solidarität und Einigkeit bedeutete, versank im nationalistischen Wahn.
Warum schon wieder wir? Ich hatte doch gerade angefangen, die Zukunft zu planen. Plötzlich war ich nicht mehr nur mit den eigenen Sorgen beschäftigt, sondern auch mit jenen von vielen anderen. Gleichzeitig: Auf einmal waren mehr Menschen wie ich da, wir waren mehr, das war bestärkend. Die Jahre danach waren eigentlich nur Überleben. Eine Existenzgrundlage für meine Familie schaffen, Familie in Bosnien unterstützen, für Geflüchtete dolmetschen, Kindern Sprachunterricht geben, hoffen, dass der Krieg bald vorbei ist, die Hoffnung nicht verlieren, dass die Welt noch zu retten ist.
Links war ich schon immer. Ich gehörte immer zu einer Minderheit. Ich musste immer die Sicht der Mehrheit zu verstehen. Aber umgekehrt? Wie erklärst du Menschen, die es nicht kennen oder nicht verstehen wollen, wie es ist, alleinerziehend zu sein oder Mindestsicherung zu beziehen? Links sein heißt für mich, nicht mit geschlossenen Augen durchs Leben zu gehen. Es heißt hinzusehen und für Gerechtigkeit zu kämpfen.“
Amela Mirkovic ist Wienerin, Gastarbeiterkind, Antifaschistin, Feministin, Alleinerziehende, Lehrerin, Sozialpolitikerin, Bezirksrätin. Amela ist LINKS.