“Mein Vater findet Wolfgang Schüssel immer noch super, weil der war Kanzler, als unser Asyl verlängert wurde.
Unsere Flucht aus Aserbaidschan war eine Odysee. Wir haben unser Haus in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1995 verlassen. Mein Vater versteckte sich in den Bergen, meine Mama und ich kamen bei Unbekannten unter. Wir flogen mit Pässen anderer Leute nach Moskau und wohnten in einer kleinen Plattenbauwohnung gemeinsam mit einer Frau, ihrem beeinträchtigten Sohn und ihrer Mutter. Wir konnten gar nicht rausgehen aus der Wohnung, meine einzige Beschäftigung war abends die Autos zu zählen, die im Stau standen. Danach mussten wir weiter nach Istanbul, aber auch dort konnten wir nicht bleiben. Mein Bruder war 14 und gerade in Salzburg, so wurde es Österreich.
Zu Hause wurde immer über Politik gesprochen. Ich war oft in der Bücherei und dann fiel mir zufällig ein dünnes Buch auf: “Marx, wir brauchen dich!” von Jean Ziegler. Zu Hause wurde über Marx geschimpft, mein Vater war Anti-Kommunist. Ich dachte, das leih ich mir aus. Ich habe zwar nicht so viel verstanden, aber Ausbeutung, Gerechtigkeit, Verteilung, das hab ich mir gemerkt. Und als ich in die Uni kam, gab es da auf einmal marxistische Theorie und ich dachte, ok cool, nicht alle Erwachsenen denken, Marx wäre ein Idiot, ich hatte doch Recht!
Nach Uni brennt fand ich politisch aktiv sein nicht so interessant, ich dachte, ich mach mir eine schöne Zeit, das steht mir doch auch zu. Vor der Wien-Wahl nahm mich ein Freund dann mit auf eine LINKS-Sitzung im 20. mit und ich fand, ok, jetzt hast du dich lang genug mit dir selbst beschäftigt, du solltest jetzt wieder was tun und das ist der richtige Ort dafür.
Ich bin mir meiner eigenen sozio-ökonomischen Lage bewusst und auch dass ich auch für mich kämpfe und nicht nur für “Alle” oder die “Gesellschaft”. Gemeinsam mit anderen, die auch dafür brennen, gegen die ungerechte Verteilung von Ressourcen und Chancen zu kämpfen, das ist links sein für mich.”
Terlan ist aserbaidschanisch-salzburger Ottakringerin und studierte Politikwissenschafterin mit drei Brotjobs. Terlan ist LINKS.