WAHLRECHT
WENN WIEN WÄCHST, SOLL AUCH DIE ZAHL DER WAHLBERECHTIGTEN WACHSEN
Wien ist eine rasant wachsende Stadt. Zwischen 2008 und 2017 hat die Bevölkerung im Wahlalter (über 16) um 163.000 Personen zugenommen. In diesem Zeitraum hat sich die Zahl der Wahlberechtigten jedoch um 7.000 verringert. Was als „Allgemeines Wahlrecht“ bezeichnet wird, verliert Jahr für Jahr an Legitimität – immer weniger Menschen dürfen das Wahlrecht wahrnehmen.
Bei der letzten Wien-Wahl 2020 stieg die Zahl der Wiener*innen mit nicht-österreichischen Staatsangehörigkeiten auf 30,8 %. Prozentuell hat sich der Wahlrechtsausschluss dadurch innerhalb von nur 18 Jahren von rund 14 (1999) auf 28 % (2017) nahezu verdoppelt. Der Ausschluss von Migrant*innen wirkt sich aber auch auf das Missverhältnis anderer Gruppen aus: so sind 16- bis 30-Jährige um 4,6 % unterrepräsentiert.
Auch Arbeiter*innen sind in Bezug auf die Wohnbevölkerung um 6 % unterrepräsentiert.
Hinzu kommt, dass Wahlbeteiligung und politische Partizipation generell analog zum Einkommen steigt und fällt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Lebenserfahrung, die wir in diesem System machen müssen, uns lehrt, dass Mitsprache ohne Geld meist nicht stattfindet.
Aktuell bedeutet Einbürgerung auch massive finanzielle Hürden, die für FLINTA*- und LGBTQIA+- Personen oft wesentlich schwieriger zu nehmen sind als für heterosexuelle cis Männer, und so Abhängigkeitsverhältnisse zementieren.
SUBJEKT STATT OBJEKT DER POLITIK
Wer kein Wahl- und Stimmrecht hat, ist in politischen Prozessen kein politisches Subjekt, sondern allein Objekt der Politik und der Auseinandersetzung. Menschen, die hier langfristig leben, werden ignoriert und ausgeschlossen. Das hat zur Folge, dass die Demokratie nicht nur an Inklusivität, sondern auch maßgeblich an Legitimation verliert. Die stärkste Gruppe bei der Gemeinderats- und Landtagswahl in Wien 2015 war die der Nicht-Wahlberechtigten. Mit 25 % war sie die große „Gewinnerin“ – ohne auch nur eine Repräsentant*in entsenden zu können. Erst an zweiter Stelle rangierte die stimmenstärkste Partei mit 21,6 %. Die Parteien der in Wien aktuell regierenden Koalition erreichten gemessen an der Wiener Wohnbevölkerung im Wahlalter zusammen gerade einmal 28,1 %.
Da Wien zugleich Bundesland und Gemeinde ist, werden bei der Gemeinderatswahl sogar EU-Bürger*innen ausgeschlossen. Das Wahlrecht auf Bezirksebene ist für diese Gruppe ein schwacher Trost, da die Kompetenzen der Bezirksvertretungen eher bescheiden sind.
Unser Detailprogramm
Unsere genauen Forderungen kannst du im Detailprogramm nachlesen. Das PDF gibt’s hier zum Download. Bei Fragen und Anmerkungen kannst du uns gerne hier kontaktieren.
WER HIER LEBT, SOLL MITBESTIMMEN DÜRFEN – SCHON NACH EINEM JAHR LEBENSMITTELPUNKT IN WIEN
Nicht wenige meinen, das Wahlrecht müsse Staatsbürger*innen vorbehalten bleiben, und es müsse lediglich der Zugang zur Staatsbürger*innenschaft erleichtert werden. Wir finden, es gibt gute Gründe, nicht Österreicher*in werden zu wollen: Der Ausschluss von Mehrfachstaatsbürger*innenschaft etwa oder wechselnde Aufenthaltsorte in verschiedenen Staaten. Wer hier lebt, ist von der Bildungspolitik, von der Gesundheitspolitik, von der Verkehrspolitik usw. aber genauso betroffen, unabhängig vom Reisepass. Daher sollte das Wahlrecht „allgemein“, also für alle hier Lebenden gelten.
Dass der immer lebendigeren Migrationsgesellschaft ein immer restriktiverer Ausschluss von Migrant*innen entgegengestellt wird, ist Ausdruck eines reaktionären politischen Willens. Mehrfach wurde das Einwanderungsgesetz in den letzten Jahren verschärft. Finanzielle Hürden wurden weiter erhöht. Voraussetzung ist eine absurde Rechtschaffenheit, die selbst Verwaltungs- und Jugendstrafen inkludiert. Es wurde eine hanebüchene Staatsbürger*innenkundeprüfung und für viele eine kaum leistbare Deutschprüfung eingeführt. Österreich gehört damit zu den absolut restriktivsten Ländern Europas.