“Als ich geboren wurde, war meine Mutter wohnungslos. Mein Vater hatte sie im Stich gelassen: Wenn sie nicht abtreibe, so wie er das wollte, müsse sie eben alleine zurecht kommen. Zum Glück gab es Familienmitglieder, die ihr vorübergehend Obdach gewährten und sie bekam eine Gemeindewohnung. Zunächst im Karl-Marx-Hof und später am Schöpfwerk, wo ich aufgewachsen bin.
Sie konnte damals eine bezahlte Ausbildung zur psychiatrischen Krankenschwester machen. Mit ihrer ganzen Energie versuchte sie, mir ein stabiles Umfeld und ein besseres Leben zu ermöglichen. Das hat sie auch geschafft, indem sie sich ihr ganzes Leben lang um andere gekümmert hat. Den Preis für die fehlende Aufmerksamkeit für sich selbst bezahlte meine Mutter jedoch mit gesundheitlichen Beschwerden.
Politisch wurde ich durch sehr schmerzhafte Erfahrungen mit männlicher Gewalt und durch Erfahrungen mit Sexismus im Beruf und im eigenen Freundeskreis. Wenn ich an meine Erfahrungen, an jene meiner Mutter oder anderer Frauen* denke, steigen mir die Tränen in die Augen. Direkte Gewalt, das nicht ernst genommen werden, der Druck, unabhängig der eigenen Grenzen anderen gefallen und sich um sie kümmern zu müssen – Das alles untergräbt permanent unsere Würde als gleichwertige Menschen, belastet uns psychisch und schränkt unsere Lebensqualität ein. Diese Unterdrückung tut sehr weh und begleitet mich ständig. Insbesondere auch jetzt, wo ich selbst Alleinerzieherin bin.
Gerechtigkeit wird einem nicht geschenkt – wir müssen tagtäglich hart um sie kämpfen. In der Gesellschaft, aber auch unter den Linken. Nur gegen Kapitalismus sein reicht nicht, auch wir müssen über Ausschlüsse nachdenken, wir müssen überlegen, wie wir uns mit anderen zusammenschließen, wir müssen uns von maskulinen Formen der Politik befreien. Die Vielen, die an verschiedenen Fronten kämpfen, zusammenbringen und versuchen, eine neue Politik der Vielen zu machen. Auch das ist für mich Links.”
Barbara Stefan ist Frau, Mutter, Alleinerzieherin, Tochter einer Alleinerzieherin, Aktivistin beim Aufstand der Alleinerziehenden, Feministin, Sozialwissenschaftlerin. Barbara ist LINKS.