Marianne Sorge

„Woher kommst du?“ ist eine Frage, die unterschiedliche Gefühle auslöst. Bei mir hat sie schon früh zu dem Bewusstsein geführt, nicht ganz dazu zu gehören – zu österreichisch in Süddeutschland, zu deutsch in Wien, immer ein bisschen anders als die anderen. Das Leben zwischen den Stühlen macht feinfühlig für die Lebenswelten von anderen, und so habe ich schon als Schülerin begonnen, mich zu engagieren – in der Schüler*innenvertretung, später als Studentin in der ÖH, bei Demos und Aktionen.
Ein paar Jahre später verliebte ich mich, hängte meinen Job an der Uni Graz an den Nagel und ging nach Australien. Ich wurde schwanger, doch der Vater des Kindes wollte keine Verantwortung übernehmen. So bin ich vor vier Jahren alleine wieder in Wien gelandet. Schwanger, ohne Job und ohne soziales Netz. In dieser ziemlich harten und lehrreichen Zeit habe ich am eigenen Leib erfahren, dass das Märchen vom „sozialen Wien“ nicht ganz so romantisch ist, wenn man als Alleinerzieherin auf Mindestsicherung angewiesen ist. Von der man als selbstständige Graphikerin auch nicht so leicht wieder wegkommt. Ich habe mich oft gefragt, wie es erst Menschen ohne gute Deutschkenntnisse in diesem Ämterdschungel gehen muss.
Dieses Leben als Alleinerzieherin, als Frau, abhängig von Sozialleistungen, das macht wütend – aber diese Wut motiviert mich. Etwas in meiner Stadt verändern zu wollen. Meine Tochter ist jetzt dreieinhalb Jahre alt, und auch für sie will ich ein anderes Leben, einen solidarischen Lebensraum schaffen, ganz konkret, hier und jetzt.
Links sein bedeutet für mich, mit anderen in Verbindung zu gehen, uns gegenseitig zu sehen, darauf zu schauen was wir für ein besseres Leben brauchen – und dann gemeinsam dafür einzutreten.”
Marianne Sorge ist Graphikerin, Mutter, Alleinerzieherin, Künstlerin, Queer-Feministin, Kunstpädagogin, Psychonautin und Tattoohexe. Marianne ist LINKS.